Tillern ohne Tillerstock

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arcus
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Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von arcus »

immer wieder beim Durchforsten des Forums sehe ich Bilder die irgendwelche grob bearbeitete Staves auf dem Tillerstock zeigen
und dann kommt meistens die Frage-- Wo muß ich noch was wegnehmen ?

Ok --jeder hat mal angefangen-- ich auch ! Ich habe meine Methode des Tillerns aber verbessert und vereinfacht.

Wenn Ihr Euch an die einzelnen Arbeitsschritte haltet ist es gerade für Anfänger ein einfacher Weg, schnell zum Ziel zu kommen.

Also ich mach es so:

1. Rinde vorsichtig runter und Jahresring begutachten--wenn der Stave es zulässt evtl. auf einen dickeren Jahresring runterarbeiten.

2. ungefähr die Griffmitte anzeichnen

3. Schnur über den Stave legen und schauen, ob diese über die Mitte des zukünftigen Griffstückes läuft

4. Griffbereich anzeichnen-- 12cm für den griff + 4cm für Fades

5. Von den Fades aus die Wurfarme bauchseitig gleichmäßig auf eine Dicke von 2,5 bis 3 cm bringen--Orientierung am Kern oder an der Maserung
_MG_9915.jpg
6. Bogenform anzeichnen--entweder auf der glatten Bauchseite --ich mach es immer auf dem Rücken, da ich auf der Bandsäge zuschneide und den Rücken ned über den Bandsägetisch schieben will. Beim anzeichnen jeder Schlangenlinie oder Ast dem Bogen entlang folgen.

7. Jetzt mit der Ziehmesser --oder Bandsäge die Form rausholen-- diese Flächen gleich mit der Raspel--Feile--Ziehklinge fein abziehen--sort soll später nur noch fein geschliffen werden.
_MG_9916.jpg
8. Jetzt die Wurfarmdicke an den vorbereiteten Flächen anzeichnen. Dazu nehme ich einen Stift und halte ihn so, wie auf dem Foddo. Damit fahre ich jetzt entlang der Kante Rücken/Breite--und zwar an allen 4 Seiten. Den Finger als Abstandshalter --damit kann ich jeder Form des Rückens folgen. Wenn möglich kann man auch entlang eines Jahresringes die Dicke anzeichnen.
_MG_9920.jpg
9. Jetzt die Wurfarme in der Dicke mit Ziehmesser und Feile auf die angezeichnete Dicke bringen.

10. Jetzt ist es Zeit, den Griffbereich zuzurichten--und zu schleifen--inkl. der Fades

11. Bodentiller der bogen sollte sich --auch wenn noch viel zu stark-- schon gleichmäßig biegen.

12. Wenn der Bogen noch zu stark--dann neue Dickenlinie anzeichnen und wieder mit Ziehmesser oder Feile runterarbeiten. Immer , wenn Ihr Holz abgenommen habt, dann mit dem Werkzeug feiner werden--Ziehklinge oder Schleifpapier und die Flächen relativ glatt machen.

13. Nockkerben einschneiden/feilen -- oder provisorische Wickelnocken anbringen.

14. Aufspannen auf halbe Standhöhe und eine Nacht so ruhen lassen ( Holz will sich langsam an die Biegung gewöhnen)
Wenn Ihr vorher sauber gearbeitet habt, sollte der Bogen keine Schwachstellen haben--aber eben noch zu stark. Das darf ich aber nur machen, wenn sich keine Schwachstellen zeigen--sonst müssen diese erst beseitigt werden.

15. Jetzt kann ich mir den aufgespannten Bogen in den Schraubstock einspannen und die Wurfarme weiter mit geeignetem Werkzeug weiter behandeln. Das Holz wird jede Veränderung sofort mitmachen und anzeigen.
Zwischendurch immer mal wieder vorsichtig ausziehen--aber nie mit brachialer Gewalt und nie über das angestrebte Zuggewicht und den Auszug hinaus.
Ich arbeite meistens ohne Schraubstock, sondern halte den Bogen am Griffstück in der Hand --die andere hand führt das Werkzeug schräg zum Wurfarm --und immer den ganzen Wurfarm entlang.
_MG_9922.jpg
Die hier gezeigten Bögen sind alles halbfertige Rohlinge , wo ich die einzelnen Arbeitsschritte besser erklären kann--ohne gleich einen Buildalon draus zu machen.


Gruß Arcus
Zuletzt geändert von arcus am 05.10.2013, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Heidjer
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Heidjer »

Schöne Erklärung Arcus, aber Anfänger werden mit Punkt 11 ihre Schwierigkeit haben, gerade der ist relativ schwer, wenn man noch kein Auge für Biegungen hat und ist auch noch nicht gut Erklärt, da gehört dann noch unbedingt rein das man beim erkennen einer Schwachstelle oder steifen Stelle die Biegungen einstellt und erst nacharbeitet bis die Biegung harmonisch ist.

Bei Punkt 14 würde ich noch darauf Hinweisen das der Bogen nur bei gleichmäßiger Biegung so über Nacht bleibt!


Gruß Dirk

PS.: Warum ich eigentlich Poste, auf den Bogen aus Bild 2 bin ich gespannt, ist doch Hainbuche?
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.
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arcus
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von arcus »

ja Dirk-- das ist eine Hainbuche--der ist aber schon paar Jahre alt und steht auf meiner Liste ziemlich weit hinten.


Gruß arcus
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Frankster
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Frankster »

Hi Arcus,

wir sollten mal einen Bogen zusammen bauen. Ich arbeite ja auch (fast ausschließlich) ohne Tillerstock, doch mache ich viele Schritte ganz anders. Ich denke Einiges, wie z.B. der Dickentaper, lässt sich noch vereinfachen.

Trotzdem, prima Thread! Meine Bögen wurden schlagartig besser seit ich den Tillerstock zur Seite gelegt habe.
Nimm nicht den ganzen Baum wenn Dir ein Ast genügt
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arcus
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von arcus »

na, dann raus mit der Sprache--was machst Du anders ? Ich bin für alles offen

Gruß Rolf
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Karlo
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Karlo »

Ich hab jetzt auch meinen 1. Bogen ohne Tillerstock gebaut,
was doch einfacher war, als ich befürchtet hatte. Wahrscheinlich war auch eine Portion Glück dabei.
Die ersten 300-400 Pfeile hat er schon hinter sich.

Bei Deiner Beschreibung habe ich Verständnisschwierigkeiten bei Punkt 8+12,
Deine Dickenlinien: die sind dann ja "paralell" zum Rücken, also von FO bis WA Enden gleich dick.
Knoten, Äste auf dem Rücken sind dann nicht verstärkt, die WAs gleichbleibend dick?

Ich zeichne auf dem Rücken ab den FO bis zu den WA Enden Striche in 10cm Abständen und messe
dann mit einer Schieblehre beidseitig die Dicke, wie gleichmäßig die abnimmt.
Die letzten mm Dicke nur noch mit Ziehklingen und Schleifpapier. Natürlich auch regelmäßig die
WA in der Seitenansicht per Auge geprüft, mit Daumen und Zeigenfinger die Dicke "erspürt".
Sehr wichtig war bei mir, daß ich absolut gutes Licht hatte, am Besten im Freien.
Über Bodentiller langsam mit Sehne zur Standhöhe und weiter bis zu meine Auszug. Sobald ich eine Schwachstelle
erkenne, wird die entschärf, ebenso die starken Stellen. Dann gehts behutsam mit den Tiller weiter.

Gruß Karlo
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Gornarak »

Also ich lieg beim Bodentiller regelmäßig falsch. Ich versuchs aber immer weiter und ich werde auch von Mal zu Mal besser. Wenn ich mir aber ausschließlich drauf verlassen würde, käm am Ende nichts raus. Damit will ich nicht sagen, dass die Methode nicht wunderbar funktionieren kann, für jeden Anfänger ist sie aber nicht geeignet.
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von ThomasThome »

Hi Arcus und alle anderen,

ich habe das mit Deiner Fingermethode zur Anzeichnung der Wurfarmstärke nicht richtig verstanden. Ich suche seit Tagen nach einem Mittel, die Dicke des Wurfarmes gleichmäßig herauszuarbeiten, sowohl über die Breite (Bei Knoten/Verdickungen am Rücken) als auch über die Länge.

Besten Gruß

Thomas
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Ravenheart
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Ravenheart »

Finger-Lineal:
Der Mittelfinger liegt auf der Kante und fährt dran entlang, der Stift zeichnet parallel dazu...
Der Mittelfinger liegt auf der Kante und fährt dran entlang, der Stift zeichnet parallel dazu...
Vorgehen zum Antragen der Maße:

Vorweg: Man muss 2 Dinge unterscheiden:

a) Zuschneiden des Staves in die "Grobmaße", um den Rohling "tillerfähig" zu machen und ihn (mit Sicherheitszuschlag) nahe an den beabsichtigten Zuggewichtsbereich zu bringen. (Es macht keinen Sinn, das Tillen mit nem 100#-Stave zu beginnen, wenn man einen 30#-Bogen bauen will!)

b) Das Tillern selber:
Ab dem Moment, wo der Stave sich biegt (und ETWA im richtigen Zuggewichts-Bereich liegt), sind Maße absolut UNINTERESSANT! Dann geht es NUR noch danach: Wie und wo biegt er sich.

Wir reden hier also NUR über a)...

Bei a) kommt es aber nun NICHT auf den einzelnen mm an. Hier geht es nur darum GROBE Fehler zu vermeiden und in die richtige DIMENSION zu kommen.

Breite:
Im Bereich von Ästen, Löchern oder sonstigen Schachstellen muss man das "fehlende" Holz durch Zugabe in der Breite "ersetzen".

Dafür gibt es 2 Methoden,
1. mathematisch-zeichnerisch
Du zeichnest die Linien (der WA-Seiten) - ausgehend von der Mittellinie - so auf den WA, als sei er fehlerfrei.
Nehmen wir an, im Bereich eines 8 mm breiten Astes käme dabei eine "ideale" Breite von 17 mm heraus.
Nun musst Du an dieses Stelle die "fehlenden" 8 mm hinzugeben: 17 + 8 = 25 mm.
(Ob man die Zugabe auf beide Seiten verteilt, oder einseitig macht, hängt davon ab, wo der Ast liegt!)
Die zusätzliche Breite zeichnest Du nun im Astbereich neben die "Ideallinien" und zeichnest dann in sanften Kurven die Übergänge an. (Siehe Bild unten!)

2. mechanisch
In der Regel IST das Holz ja in einer "Welle" um solche Stellen herumgewachsen. Die Fasern VERLAUFEN da also schon so, wie Du es bei Methode 1 zeichnen würdest.
Wenn Du nun die Seiten mit dem Ziehmesser zuschneidest, und Dich der Aststelle näherst (je nach Astgröße 3 - 5 cm), verkantest Du das Ziehmesser nach hinten, und HEBELST damit einen Span los - SPALTEST den Span also im Astbereich ab, statt ihn zu schneiden.
Und siehe da: Der Spalt folgt genau der Faser - und läuft in einer sanften Kurve um den Ast herum.

Dicke:
Auch der Verlauf der Dicke soll der Faser folgen, auch im Bereich von Wellen oder Ästen.
Dabei gibt es aber zu beachten:
* Ist eine Stelle konkav - also reflex - muss man aufpassen, die Stelle nicht zu dünn zu schneiden. Es genügt aber, sie exakt im Verlauf der Dicke zu halten.
* Ist eine Stelle konvex - also deflex, empfiehlt es sich, diese erst mal etwas DICKER zu belassen - denn deflexe Stellen reagieren oft "weicher".... Man ignoriert die Stelle also einfach und zieht die Bauchlinie erst mal gerade durch.
(Siehe Bild unten!)

Auch hier arbeitest Du mit Hilfslinien.
Scheide zuerst die Seiten (einigermaßen rechtwinklig zum Rücken) auf die richtige Breite.
Dann zeichne eine Linie PARALLEL zum Rücken, etwa bei der 1/2 Dicke gemessen am WA-Ende, also (je nach Bogentyp und Stärke) bei 5 - 10 mm Rücken-Abstand.
Diese Linie - sagen wir mal bei 7 mm - zeichnest Du auf der ganzen WA-Länge durch, immer 7 mm Rückenabstand.
Das machst Du auf BEIDEN (!!) WA-Seiten und an beiden WA.

Im Bereich einer DEFLEXEN Welle - und ebenso bei Ast-Gnubbeln - verbindest Du nun die geraden Abschnitte per LINEAL gradlinig über die Welle hinweg, so, als gäbe es sie nicht.

Von DIESER Hilfslinie ausgehend trägst Du nun die gewollte Dicke an, und zwar GETRENNT an beiden WA-Seiten!
(Hinweis: Du musst dabei auch bedenken, dass die WA-Mitte meist noch etwas höher liegt, als die Kante, da der Rücken ja meist gewölbt ist!)

Rechenbeispiel:
Hilfsline = 7 mm von der Rücken-Kante.
Höhe der Rückenwölbung = 3 mm.
Gewollte Dicke an Stelle X = 15 mm
Du musst also 5 mm unter der Hilfslinie die Markierung machen.

Diese Markierungen machst Du alle 10 cm, dann verbindest Du die einzelnen Markierungen per Lineal.
(Tipp: Vorsicht bei reflexen Stellen, da kann auch auf 10 cm eine gerade Linie zu weit rein gehen, hier muss die Linie evtl kurvig laufen. Trick: interpolierte Zwischenwerte antragen, entweder auf halber Länge oder sogar pro cm...)

Nun kannst du den Bauch auf Dicke zuschneiden.
Stellen sich beim Tillern dann die dicker belassenen Stellen beim Deflex oder Ast als zu steif heraus, werden sie halt langsam dünner gemacht.
Wellen.jpg
Rabe
QuintusDias
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von QuintusDias »

Ich habe mir das Tillern ohne Tillerstock bei einem Bogenbaukurs betrachten können.
Der Tillerstock kam nur ganz am Anfang zum Einsatz.

Der Bogen wurde, wie hier bereits beschrieben, erstmal im Bodentiller grob herangearbeitet. Dann wurde der Bogen nur noch 2 oder 3 mal auf den TIllerstock gebracht, eigentlich nur um zu prüfen, ob sich die WA bis ca. 10" Auszug (0 Standhöhe) harmonisch biegen. Quasi wie hier in der Wiki beschrieben, beginnend an den Tips bis Richtung Mitte.

Dann wurde die Sehne aufgesetzt und nur noch Mittels Zollstock/Metermaß weiter getillert. Es wurde immer wieder kontrolliert, wie der Sehnenabstand zu WA-Mitte war. War der Abstand am unteren WA ca. 4-6mm geringer als am oberen WA, wurde die Standhöhe erhöht. Immer so ein bisschen. Dann wieder pumpen, pumpen, pumpen, messen, feilen, pumpen, messen, feilen, pumpen, Standhöhe erhöhen.

Pumpen erfolgte immer nur bis max. Ellenbeuge des den Bogen haltenden Armes. Irgendwann ist man auf Standhöhe gewesen.

Dann wurde schrittweise die Zugkraft "eingestellt", in dem dann gleichmäßig über den gesamten WA-Bereich gaaaanz sachte Material abgetragen wurde.

Ist jetzt schon ein Jahr her, aber so im Großen und Ganzen war das.

Was mich dabei so fasziniert hat: Der Bogen wurde dann erst, als er auf Standhöhe war, vollends ausgezogen, wenn den die Zugkraft entsprechend gepasst hat. Hat man bei, was weiß ich, erst 20" gedacht, man leiert das Schultergelenk aus, dann wurde halt Material abgenommen.

Fertig war er, wenn man ihn ziehen konnte.

War für mich sehr interessant.
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Karlo
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Re: Tillern ohne Tillerstock

Beitrag von Karlo »

Ravenheart hat geschrieben:...Vorgehen zum Antragen der Maße:...
Rabe
So, damit ist das jetzt auch für mich klar geworden, Danke :)

Gruß Karlo
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