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HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 11.03.2009, 22:05
von Frede
Hier eine Anleitung, wie ich meinen letzten Satz Pfeile gebaut habe. Ich hoffe, dass damit vielen Anfängern im Bau von Holzpfeilen geholfen ist =)


Inhalt:
I Materialien und Beschaffung
II Vorbearbeitung
III Zusammenbau



I Materialien...:

Schäfte
- bei altertümlichen Pfeilspitzen passen 11/32"-Schäfte meist besser (5/16" manchmal gar nicht)
- Bezugsquellen für besondere Schäfte:
bspw. www.english-longbow.co.uk für schwere Schäfte und Schäfte mit großem Durchmesser (für hohe Zuggewichte)
bspw. www.pfeilschaft.de für schwere Ahornschäfte

Spitzen
- auf Tunieren höchstwahrscheinlich und vielleicht auch im Verein sind altertümliche Spitzen nicht erlaubt
- bei vielen Anbietern gibt es die Kategorie "mittelalterliche/historische Pfeilspitzen"
bspw. www.lederkram.de, www.betatakin.de
- die in Deutschland erhältlichen altertümlichen Pfeilspitzen sind oft sehr schwer (/teilweise nur als Spielerei zu gebrauchen), aus England lassen sich auch leichte Scheiben-Pfeilspitzen mit mehr oder weniger historischem Aussehen beziehen
bspw. www.english-longbow.co.uk

Horninserts
- siehe Thread "Bezugsquellen für Materialien"
(auch bei www.english-longbow.co.uk erhältlich)
Hinweis: Horninserts sind eigentlich erst bei hohen Zuggewichten nötig, alternativ einfach weglassen und Nocke durch eine sehr feste zusätzliche bzw. fortgeführte Wicklung sichern.

Federn
- außer den gewöhnlichen Truthahnfedern deutscher Bogensporthändler werden hin und wieder geeignete Gänsefedern bei Ebay angeboten (auf Hygiene achten, Erreger müssen vom Verkäufer durch Hitze abgetötet worden sein & am besten nur Federn kaufen, die aus der Geflügelzucht stammen), oft überteuert lassen sich Gänse-/Schwanen-/usw.- Federn auch von deutschen Bogensporthändlern beziehen
- direkt bei Geflügelzüchtern, Tierparks anfragen

Sehr guter Zwirn
- auf Ebay sind meistens gute Zwirne erhältlich, besonders gut geeignet sind die sogenannten Sattler-/Buchbinder-/Schusterzwirne aus Leinen/Flachs/..., die womöglich noch gewachst werden müssen; Zwirne aus Naturmaterial sind teuer und sollten ungefähr 0,5 bis 0,7 mm dick sein
- sehr stabile künstliche Zwirne sind erhältlich, von billigen Baumwollzwirnen ist abzuraten

Tipp: Qualitätsprüfung des Zwirns: Der Zwirn sollte sich nicht mit bloßen Händen zerreißen lassen. Er sollte möglichst langsam ausfasern, wenn er an der scharfen Kante eines Möbelstückes hin und hergezogen wird.

Bienenwachs
bspw. von www.lederkram.de

Birkenpech
bspw. www.lederkram.de, www.agil-online.co.uk
- alternativ: Epoxidkleber = Zwei-Komponenten-Kleber (ACHTUNG: krebserregend!)
-> die Wahl des Klebers sollte von der Art des Zieles abhängen, für feste Ziele - wie Stramitscheiben - ist Birkenpech natürlich nicht sinnvoll (Spitze wird vom Schaft gerissen, wenn der Pfeil rausgezogen wird); für Scheiben-Pfeile, die man ganz normal einsetzen will, ist Epoxidkleber ratsam

Was nicht benötigt wird:
Befiederungsgerät
Federstanze

Werkzeuge:
Möglichkeit Schäfte zu fixieren (bspw. billige Werkbank)
Anspitzer (beim Bogensporthändler erhältlich)
Metallfeile (für die Bearbeitung der Spitzen, Schäfte, Horninserts, Federn)
dünne Feile, eventuell auch schmale Feile
Säge mit rundem Sägeblatt (für die Herstellung der Nocken, rundes Sägeblatt ist im Baumarkt oft seperat für ca. 5€ erhältlich)
Feuerzeug, Spiritusbrenner (aus dem Laborhandel) und Spiritus (Baumarkt), feuerfeste Unterlage, Eimer mit Sand, eventuell wertloser Löffel, gebrauchte Lederhandschuhe (für die Benutzung des Birkenpechs zum Festkleben der Spitzen und der Horninserts, eventuell zum Schutz bei diversen Schleifarbeiten)
Schleifpapier (feinkörniges reicht aus)
Feine scharfe Schere (für Federn)

Beschaffung:

- Preise vergleichen
- Versandkosten beachten
- Materialien zu importieren (bspw. aus England) ist nicht unbedingt teurer (die Versandkosten sind sogar oft niedriger), die Wartezeit ist aber in der Regel länger; der Blick über den Tellerrand des in Teilen doch recht mageren deutschen Bogensporthandels lohnt sich aber auf jeden Fall, gerade für ELB-Schützen


II Vorbearbeitung:


Vorbearbeitung der Schäfte:
- auf gewünschte Länge zusägen, dabei beachten, dass altertümliche Pfeilspitzen ungewohnt lang sind
- eventuell begradigen
- Schaft mustern: die Spitze sollte später an dem Ende liegen, zu dem hin möglichst wenige Holzschichten auslaufen
- mit der flacheren Option (die steile ist für den Nockenkonus von Plastiknocken) des Anspitzers den Spitzenkonus anfertigen

V. d. Spitzen:
Die Tülle altertümlicher Pfeilspitzen ist am Außenrand sehr breit, dadurch besteht die Gefahr, dass die Zielscheibe die Spitze beim rausziehen des Pfeiles vom Schaft reißt
-> mit Metallfeile Tüllensaum möglichst dünn schleifen
- danach kann man auch noch den Rest der schwarzen Schicht von der Spitze abschleifen (bekommen dadurch ein ganz anderes Aussehen)
- die in der Regel sehr stumpfen Spitzen lassen sich dabei gleich scharfschleifen (bei schweren Schäften den Pfeil dann nicht auf der bloßen Handfläche drehen...)
- eventuell polieren u./o. Rostschutzöl auftragen

V. d. Zwirns:
- sieht man Fasern vom Zwirn abstehen, so muss er eingewachst werden (bspw. mehrmals durch Bienenwachs ziehen), alternativ kann man die Wicklung später mit transparentem Kleber einschmieren

V. d. Federn:
(- Abkochen, Spalten, Kiel schleifen... bei noch unbearbeiteten Federn)
Mit etwas Übung lassen sich Federn mit einer feinen Schere zuschneiden.
- Gewünschte Länge zuschneiden
- Hinten und vorne am Kiel ein paar mm Fahne abschneiden (damit später die Wicklung angebracht werden kann), die so entstandenen fahnenfreien Kielenden mit der Metallfeile platt schleifen (sonst hätte man Knubbel in der Wicklung)
- Form schneiden
Hinweis: Verschiedene Formen haben ganz unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, leicht ist bspw. folgende Form: hintere 2/3 bis 3/4 parallel zum Schaft, vorderes 1/4 bis 1/3 ausgebeult absinkend

V. d. Horninserts:

- mit Metallfeile auf benötigte Breite (Schaftdurchmesser) und gewünschte Dicke zuschleifen (dabei Dicke des runden Sägeblatts beachten, die Horninserts müssen etwas dicker sein)


III Zusammenbau

Spitzen anbringen:

HINWEIS: Birkenpech kann brennen und entwickelt bei Überhitzung viel Rauch! Daher entsprechend vorsichtig sein und im Freien arbeiten. Durch Überhitzung wird es unbrauchbar. Birkenpech wird schnell wieder härter und ist trotzdem relativ lange formbar. Auch wenn es den Eindruck erweckt geschmolzen außerordentlich heiß zu sein, lässt es sich mit bloßen Fingern anfassen...

- Geeigneten Ort suchen
- Löschsand in Reichweite platzieren
- Brenner auf feuerfeste Unterlage stellen

Folgende Schritte erst komplett durchlesen!

- Lederhandschuhe anziehen (schützen kurzzeitig vor der heißen Spitze)
- Spitze zu 2/3 bis 3/4 mit Birkenpechstücken füllen
- Spitze über Flamme erhitzen (dabei so halten, dass kein Birkenpech rausfällt):
Das Birkenpech fängt an leicht zu rauchen, dann fängt es an zu kochen (hört man), dann wird es still und brodelt vor sich hin
-> (etwa 4 Sekunden später) JETZT setze ich die Spitze schnell auf den Schaft und drehe sie dabei
-> sofort sammelt sich Birkenpech am Saum der Tülle und droht herunter zu tropfen, nun gilt es den Pfeil so zu halten und zu drehen, dass möglichst wenig Birkenpech (auf die feuerfeste Unterlage) herunter tropft und möglichst viel am Übergang Spitze-Schaft kleben bleibt und aushärtet (dieser Überschuss kaschiert den Übergang vom Schaft zur Spitze und verringert so die Kräfte, die beim rausziehen des Pfeiles auf die Spitze wirken können); nachdem es fester geworden ist, lässt sich das Birkenpech mit dem Finger glätten und formen (schon zu hart? Einfach mit dem Feuerzeug noch mal etwas verflüssigen und dann bearbeiten)
- eventuell schleifen, Spitze einölen...


Alternative - Epoxidkleber für Scheibenpfeile:

Kleber wie auf Verpackung beschrieben vorbereiten, ausreichende Vorsichtsmaßnahmen treffen (nicht inhalieren, nicht berühren, nicht konsumieren; krebserregend)! Spitze über Flamme heiß machen, soweit abkühlen lassen, dass sie sich in die Hand nehmen lässt, Epoxidkleber mit Stäbchen (das später mitentsorgt wird) in die Spitze reinschmieren, Spitze aufsetzen, drehen, Übergang mit (eventuell zusätzlichem) Epoxidkleber kaschieren


Horninserts einfügen & Nocken fertigstellen:

- mit rundem Sägeblatt parallel zur Maserung Schlitz für Horninserts einarbeiten; Schlitz mit dünner Feile auf benötigtes Maß ausarbeiten, dabei ständig mit Horninsert prüfen, wo noch Holz abgetragen werden muss (das Kleben der Horninserts mit Birkenpech ist aufwendiger als das Kleben der Spitzen, alternativ geeigneten gewöhnlichen Kleber oder Epoxidkleber verwenden...); am Ende ist der Schlitz rund (bedingt durch das runde Sägeblatt), mit einer schmalen Feile lässt sich das Ende eckig schleifen, oder die Horninserts werden am Ende auch rund geschliffen
- Birkenpech auf Löffel wie oben beschrieben erhitzen, Horninsert schnell mit geschmolzenem Birkenpech einschmieren und einsetzen, Nocke umwickeln/fest drücken und Birkenpech aushärten lassen; eventuell Fugen mit zusätzlichem Birkenpech ausfüllen
- Nockende des Schaftes planschleifen (Insert steht meist noch etwas raus); mit rundem Sägeblatt Nockschlitz quer zum Insert einarbeiten; wenn Klemmnocke gewünscht mit rundem Sägeblatt den tiefsten Punkt des Schlitzes kreisförmig ausfeilen; mit Schleifpapier an Sehne anpassen
- überschüssigen Kleber am Schaft mit Schleifpapier u./o. vorsichtig mit Metallfeile entfernen; Nocke schleifen bis sie glatt ist und gefällt


Federn befestigen:

Prinzip: Wenige mm des vorderen Endes der Feder am Schaft fixieren, dann mit Wicklung fortfahren....

Das vordere Ende lässt sich entweder festkleben oder mit Bienenwachs am Schaft fixieren.
(Kleben ist selbsterklärend)

- Gewünschten Abstand der Feder zur Nocke feststellen
- dünnen Film aus Bienenwachs dort anbringen, wo später die Befiederung beginnen soll (bzw. die vordere Wicklung ist)
- auf Maserung des Schaftes achten: zur Spitze hin auslaufende Holzschichten sollen später oben sein (also Leitfeder auf 9 Uhr - bei Rechtshandschützen - oder 3 Uhr - bei Linkshandschützen - und zur Spitze hin auslaufende Schichten auf 12 Uhr = oben)
- vorderen Teil der Feder im Bienenwachs festdrücken, auf gleichmäßigen Abstand zwischen den drei Federn achten
- die vordere Wicklung muss bei dieser Methode äußerst einfühlsam durchgeführt werden, da die Federn sonst einfach weggedrückt werden und abfallen (ohne platt geschliffenes Federkielende funktioniert es nicht!); das rausquillende Bienenwachs (es soll möglichst wenig unter der Wicklung bleiben) kann zur zusätzlichen Einwachsung der vorderen Wicklung gebraucht werden
- Wicklung durchführen, wie in dem Video "Binding A Medieval Arrow" von Richard Head (www.english-longbow.co.uk) auf Youtube, allerdings sind die Federn nach der von mir beschriebenen Methode nicht festgeklebt => beim Wickeln müssen sie gleichzeitig Windung für Windung ausgerichtet werden! Dabei muss natürlich auf eine feste Wicklung geachtet werden (die Federn werden schließlich nur durch die Wicklung fixiert).
- die Wicklung des Pfeiles wird wie die Mittelwicklung der Bogensehne beendet; alternativ oder zusätzlich, bspw. weil der Zwirn auf die letzten Windungen reißt oder sich die Wicklung löst oder der Zwirn von schlechter Qualität ist, lässt sich die Wicklung mit transparentem Kleber abschließen (bei schlechter und mittelmäßiger Zwirnqualität sollte allerdings die ganze Wicklung mit Kleber eingeschmiert werden)

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 12.03.2009, 19:43
von Selfbower
sehr schöne Anleitung!  Respekt!  :o



LG. Selfbower

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 14.03.2009, 00:17
von Frede
Danke ;D Ich wollte das schon seit längerer Zeit machen, musste aber erst selbst Erfahrungen mit Horninserts und dem Zurechtschleifen von Spitzen sammeln. Birkenpech kam dann noch hinzu, weil ich es einfach mal ausprobieren wollte. Das Schleifen der Horninserts und Spitzen ist echt eine Heidenarbeit.

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 29.04.2009, 09:41
von DJTMichel
@Frede: eine wirklich nachvollziehbare Anleitung, die ich in der Form gern in einem s.g. Fachbuch lesen würde.

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 29.04.2009, 11:55
von Carpe Noctem
Diverse Schmiede auf Mittelaltermärkten fertigen auch geschmiedete Spitzen nach Wunsch.


Klasse Anleitung kommt dem wie ich Pfeile baue ziemlich nahe.

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 29.04.2009, 12:30
von Milky
Da hat aber einer viel Zeit gehabt.
Gute Arbeit, anschaulich, detailliert, nachvollziebar.

Gruß

Patrick

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 01.05.2009, 15:44
von Frede
Vielen Dank  :)

@DJTMichel
Ich glaube, dass ich das "s.g. Fachbuch" kenne... War davon auch enttäuscht. Seitenweise wird die Bedienung der teuersten Bogensport-Werkzeuge erklärt und Werbung für alle möglichen Shops gemacht, aber wie man einen Pfeil ohne den ganzen Kram baut, wird nicht erklärt.

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 02.05.2009, 10:20
von Hunbow
@ frede gib doch mal die bauanleitung an marty weiter. dann kann er sie als artikel oder downöoad einstellen.

Re: HowTo: Altertümliche Pfeile herstellen

Verfasst: 04.05.2009, 10:18
von Ravenheart
Ja prima! Ein paar ergänzende Bilder wären noch "nett", der Mensch ist ja ein "Augentier", und ein paar anschauliche Fotos erhöhen den Lesespaß!

Rabe