Seite 3 von 4
RE: Leinöl
Verfasst: 24.03.2004, 23:49
von Ravenheart
hmmmm....
Da kann ich jetzt teilweise nicht ganz folgen:
Original geschrieben von Falk
Ich öle keinen Bogen in dieser Weise ein. Ich bin der Überzeugung, daß ein satt (!) eingeölter Bogen immer an Stringfollow zulegen muß. Öl führt im Holz zu einer verminderten inneren Reibung und ermöglicht damit "Verschiebungen" im Holz, die sich dann als Set nachteilig bemerkbar machen.
Das sehe ich auch so!
Original geschrieben von Falk
Leinöl wird schließlich durch Sauerstoffzutritt verharzen, d.h. es wird kristallisieren. Kristalle => Kristallisationsdruck => Zerstörung der Zellstruktur des Holzes => ganz schlecht!
HÄ? Ich halte das Abbinden von Leinöl für eine Polymerisation, vergleichbar mit dem Abbinden von Kunstharz; dabei entsteht kein Druck...
Original geschrieben von Falk
Ich habe früher auch meine Messergriffe mit diesem Öl behandelt und mich dann nach wenigen Jahren gewundert, warum mir immer die Griffschalen vom Metall hochgedrückt werden!
Das lag daran, dass auf der Metallseite mangels Öl leichter Wasser(-dampf) eindringen kann, und das Holz dort dann (mehr) quillt!
Original geschrieben von Falk
Bei meinen Pfeilen sind mir ganz analog so nach und nach immer wieder die Spitzen abgefallen - allerdings auch, weil Leinöl mit der Zeit das verwandte Epoxydharz aufweicht.
Könnte sein...
Original geschrieben von Falk
Ein leichtes Einölen und sofortiges Abwischen des Überschusses - okay - mach ich auch heute noch bei einem neuen Bogen - warum weiß ich auch nicht - Intuition!
Nu wird er unlogisch! Entweder ist es gut oder schädlich, entsprechend mach' ich es, oder nicht; ICH lackiere ja mit Acryllack...
Rabe
RE: RE: Leinöl
Verfasst: 25.03.2004, 00:15
von Longbow Alex
Original geschrieben von ravenheart
HÄ? Ich halte das Abbinden von Leinöl für eine Polymerisation, vergleichbar mit dem Abbinden von Kunstharz; dabei entsteht kein Druck...
Ja, ist eine Polymerisation.
Leinöl => radikal. Polymerisation zu Linoxym
Epoxy => Monomere mit mehreren Epoxygruppen ( =O ) verketten sich unter Härterzugabe zu Duroplast (vernetzte Polymere, nicht schmelzbar). Ist eine Polyaddition, d.h. an der reaktionsfähigen Gruppe wird ein weiteres Monomer angehängt.
(Habe mir erlaubt, die Zitatteile, zu denen Du nicht Stellung genommen hast, zwecks besserer Übersicht raus zu nehmen! Rabe)
RE: RE: Leinöl
Verfasst: 25.03.2004, 10:58
von Falk
@rabe
Falk:eingeölter Bogen immer an Stringfollow zulegen muß
Rabe: Das sehe ich auch so!
Fein!
Rabe: HÄ? Ich halte das Abbinden von Leinöl für eine Polymerisation, vergleichbar mit dem Abbinden von Kunstharz; dabei entsteht kein Druck...
Mag sein. In organischer Chemie kenn ich mich nicht besonders aus. Aber auch organische Verbindungen bilden unstrittig Kristallstrukturen - nicht jede freilich - aber Säuren beispielsweise. Wie ist das mit der Linolsäure im Leinöl?. Ob das Endprodukt vom Leinöl nun amorph oder kristallin ist habe ich freilich nie untersucht - Fakt ist aber, das es
fest wird. Unten geht's dazu weiter ...
Falk:Ich habe früher auch meine Messergriffe mit diesem Öl behandelt und mich dann nach wenigen Jahren gewundert, warum mir immer die Griffschalen vom Metall hochgedrückt werden!
Rabe: Das lag daran, dass auf der Metallseite mangels Öl leichter Wasser(-dampf) eindringen kann, und das Holz dort dann (mehr) quillt!
Nein! Sicher nicht! Auf der Unterseite der Griffschalen hatte sich - in jedem Fall - eine vielleicht 1/2mm starke Schicht - "verharzten Leinöls" abgeschieden - kristallin oder nicht ist ja egal. Dabei ist es zu einer gewissen
Volumenzunahme gekommen - und das ist das entscheidende und wir können uns in der weiteren Diskussion vielleicht darauf beschränken. Die Volumenzunahme wurde vorab schon deutlich dadurch, das aus den Trennfugen stetig "verharzendes Öl herauswuchs". Diese kleine Wulst habe ich vielleicht alle 1/4 Jahr mit dem Fingernagel wegkratzen können.
Volumenzuhname erzeugt Druck. Im Falle von Kristallen eben den sogenannten "Kristallisationsdruck" (habe im Studium mal Mineralogie gemacht, darum reite ich da so drauf rum

). Ist ein Kristallkeim vorhanden wächst er durch "Sammelkristallisation" schneller - wird also verhältnismäßig groß. Da bei der Kristallisation Energie frei wird funktioniert dieser Prozeß eben auch wenn eigentlich kein Platz da ist! Der wachsende Kristall schafft sich den Platz selbst!
Falk:Ein leichtes Einölen und sofortiges Abwischen des Überschusses - okay - mach ich auch heute noch bei einem neuen Bogen - warum weiß ich auch nicht - Intuition!
Rabe: Nu wird er unlogisch! Entweder ist es gut oder schädlich, entsprechend mach' ich es, oder nicht; ICH lackiere ja mit Acryllack...
Ja! Ist ja richtig! Der wahre Grund ist der, daß ich kurz vor dem Schellack-Auftrag die Holzoberfläche etwas verschließen möchte, um nicht "Unmengen" von Schellack zu verbrauchen. Und einmal kurz "Überölen" schadet nicht. Wovon ich oben gesprochen habe, daß ist das regelrechte "Tränken" des Holzes in Öl. Davon würde ich die Finger lassen.
Verfasst: 25.03.2004, 11:12
von Nacanina
Das ist doch aber der übliche Verfahrensweg bei der Anwendung von Leinöl:
Ölen, kurz einziehen lassen und den Überstand abwischen. Dann suppt auch nichts am Messergriff ´raus.
Dass Leinöl Stringfollow induziert, glaube ich nicht.
Die Ölung wird ja in der Regel gemacht, wenn noch nicht ein paar Hundert Schuß gemacht worden sind. Könnte also eher am Einschießen des Bogens liegen.
Macht ihr da nicht ein wenig aus einer Mücke einen Elefanten?
Verfasst: 25.03.2004, 12:12
von Falk
Nacanina: Dass Leinöl Stringfollow induziert, glaube ich nicht.
Feuchtes Holz bekommt sehr starkes
Stringfollow - richtig? Warum?
Wir geben uns doch alle erdenkliche Mühe das Holz auf einen Feuchtigkeitsgehalt zu bekommen, der den besten Kompromiß zwischen Elastizität und Festigkeit darstellt. Wenn ich nun aber das "abgedampfte" Wasser durch Öl ersetze - auch nur teilweise - dann erhöhe ich wieder den Gehalt an "Schmiermittel" im Holz. Solange die Verformung elastisch sind - okay - aber was, wenn das Holz plastisch reagiert? Dann habe ich einen
Set und
Stringfollow. Vielleicht ein lohnendes Forschungsprojekt für "The Traditional Bowyers Bible, Part IV" ?!?
Nacanina: Die Ölung wird ja in der Regel gemacht, wenn noch nicht ein paar Hundert Schuß gemacht worden sind.
Der Zeitpunkt der "Ölung" ist irrelevant. Aber was soll
eine Ölung eigentlich nutzen? Selbst bei wiederholter Ölung dauert es Jahre, bis sich eine ausreichende "Patina" gebildet hat, mit der ich mich trauen würde auch im Regen zu schießen.
Nacanina: Macht ihr da nicht ein wenig aus einer Mücke einen Elefanten?
Das kann man wohl so sagen

So richtig wirklich wichtig ist das alles nun auch wieder nicht! Obwohl, wenn mir nach ein paar Jahren die Tips abfallen und es hätte nicht sein brauchen ...?!?
Verfasst: 25.03.2004, 12:27
von Nacanina
Wie weit zieht dein Öl ein?
1/10 tel mm?
Komm, Fehler beim Bauen des Bogens sind wesentlich relevanter. Außerdem wo wird das Öl angelagert? Zwischen den Zellen, oder in der Zellwand, wie Wasser? Gefährlich ist Wasser, das die Zellwände quellen läßt.
Du darft nicht Feuchtigkeit mit Ölgehalt gleichsetzen.
Analogiesch(l)üsse gehen auch manchmal ins Leere. Aber du mußt ja nicht mit Leinöl behandeln, wenn du Bedenken hast.
Wobei die Möglichkeiten, die du mit modernen Materialien hast auch aus verschiedenen Gründen bedenklich sind.
1. das Material an sich ist nicht wirklich traditionell
2. z. B.: bei Acryllacken wird ein Film gebildet. Dieser Film ist aber auch verletzlich und setzt auch eine wirklich fettfreie Oberfläche voraus. Sonst kann der Film auch flächig fehlerhaft sein, und du merkst es nicht immer.
Verfasst: 25.03.2004, 12:34
von carpenter
Wichtig ist, das ihr dem Bogen nicht die
"letzte Ölung" gebt.
Carpenter 8-)
RE: Analogieschlüsse
Verfasst: 25.03.2004, 13:04
von Falk
@Nacanina
Original geschrieben von Nacanina
Wie weit zieht dein Öl ein?
1/10 tel mm?
Ich würde deswegen keinen Bogen zersägen um nachzuschauen, aber ich kann Dir sagen, daß meine alten Pfeilschäfte (11/32")
komplett durchdrungen sind.
Komm, Fehler beim Bauen des Bogens sind wesentlich relevanter.
Darum geht es doch gar nicht - und wie Du oben vielleicht gesehen hast, gebe ich Dir durchaus Recht, daß wir uns hier - im Prinzip - mit Haarspaltereien aufhalten ...
Außerdem wo wird das Öl angelagert? Zwischen den Zellen, oder in der Zellwand, wie Wasser? Gefährlich ist Wasser, das die Zellwände quellen läßt.
Du darft nicht Feuchtigkeit mit Ölgehalt gleichsetzen.
Ich habe nicht gesagt, daß es in gleicher Weise im Holz gebunden wird - darum die Häkchen um "Schmiermittel". Aber kannst Du wirklich ausschließen, daß es nicht in ähnlicher Weise
wirkt? Einmal durch direktes quellen der Faser und einmal durch umgeben der Faser und die Herabsetzung der inneren Reibung.
Noch eine Analogie - als Beispiel - ich weiß nicht ob man sie wirklich übertragen kann, aber vielleicht lohnt es sich darüber einmal nachzudenken?!?
Bei technischen Standsicherheitsberechnungen (etwa einer Böschung aus aufgeschüttetem Kies) wird "Inneren Reibung" immer direkt proportional um den Betrag des Porenwasser(öl)drucks vermindert. Das könnte für unseren Bogen bedeuten, daß die mit Öl gefüllte Holzzelle eben genau um den Betrag des Innendrucks an Festigkeit verliert. Im Ergebnis wäre es das selbe, als ob die Zellwand durch Wasser gequollen ist und darum ihre Festigkeit eingebüßt hat. Zwei Wirkungen => gleiches Ergebnis?!?
Aber du mußt ja nicht mit Leinöl behandeln, wenn du Bedenken hast.
Sic!
Wobei die Möglichkeiten, die du mit modernen Materialien hast auch aus verschiedenen Gründen bedenklich sind.
Schellack und Wachs - modern?
Angeführte Beispiele sollen lediglich der Veranschaulichung dienen und nicht bedeuten, daß ich das alles wissenschaftlich exakt nachgemessen habe - okay?!
Verfasst: 25.03.2004, 13:21
von Nacanina
Sorry, aber Schellack und Wachs sind nicht wasserdicht!
Schellack würde ich höchstens in Verbindung mit Leinöl verwenden (french polish)
Testzwecke
Verfasst: 25.03.2004, 13:30
von Longbow Alex
Gerade habe ich einen Kiefernholzabschnitt angeschliffen und in Leinöl gelegt. Die nächsten Tage wird es darin auf der Heizung (zur Viskositätserniedrigung) ruhen, dann ein aushärten und danach werde ich ihn zersägen und nach dem Öl sehen. Vielleicht färbe ich das jetzt noch ein wenig ein. Photos folgen dann nach.
Schellack wurde früher zur Möbelpolitur eingesetzt. Z.B. alte spiegelnde Klaviere waren auch damit behandelt.
Gruß,
Alexander
Wasserdicht
Verfasst: 25.03.2004, 13:40
von Falk
Schellack ist nicht wasserdicht - tja, da ist wohl was dran! Deswegen sieht man mich auch immer ganz schnell in Deckung gehen, wenn es irgendwo anfängt zu schiffen oder satte Nebelschwaden aufkommen ... z.B. mit dem links abgebildeten Eiben-Bogen, der aber zumindest stark wasserabweisend ist - trotzdem laß ich da lieber nichts anbrennen ... French Polish verwende ich auch - dabei bleibt das Öl auch auf oder an der Oberfläche. Aber ob es wirklich wasserdicht ist - ich möchte es lieber nicht drauf ankommen lassen!
tja, die Ölerei
Verfasst: 25.03.2004, 13:58
von Snake-Jo
Ich halte mich aus der ganzen Ölerei raus und verwende weiter meinen PU-Lack: Keine fettigen Finger, kein unangenehmer Leinölgeruch, kein Nachölen, kein Durchdringen, kein Abheben, kein Stringfollow, kein Set, kein schwerer Ölbogen und vor allen Dingen: keine lange Diskussion
Aber ölt ruhig weiter!:D
Verfasst: 25.03.2004, 14:31
von Archiv
Du hast dafür:
Umweltverschmutzung, Gesundheitsgefährdung, chemischen Gestank, Chemie auf Deinen schönen Holzbögen, keine wirklich schöne Oberfläche, eindringendes Wasser bei dem kleinsten Kratzer, dann kannst Du alles runterschleifen und von vorne lackieren, damit Du wieder eine einheitliche Oberfläche hast, bemerkst Du den Kratzer nicht dringt Wasser ein und Dein Lack platz weg, sieht super aus und tut dem Bogen bestimmt gut. Im übrigen sind alle Vögele Bogen geölt und gewachst, und die meisten davon stellen sich nicht unter wenn es schifft. Und warum heißt Hartöl und Hartwachs wohl so, wenn es keine Oberflächenschicht bildet, natürlich nicht für ewig, aber Ölen und Wachsen macht Spaß, riecht gut, sieht super aus und wenn das gute Stück den Weg alles Irdischen gegangen ist, kann ich es verbrennen ohne eine Dioxinvergiftung zu kriegen und ohne daß mir die Vögel vom Kamin fallen.
Aber lackier Du nur weiter!

Verfasst: 25.03.2004, 14:59
von Nacanina
@Snake-Jo
Seit wann riecht Leinöl unangenehm?
@Falk
ist doch aber schade das Schiessen zu unterbrechen, blos weil es regnet!;( ;(
@Longbow-Alex
ev. solltest du auch noch einen weiteren Versuch machen:
Schaft 2x leicht einölen und nach 2-3 Min jeweils den Überstand abwischen.
die Schellackmöbel hatten ja auch alle diese hässlichen Wasserflecken, der Graus jeder guten Hausfrau (damals)...
RE:
Verfasst: 25.03.2004, 17:27
von Longbow Alex
Original geschrieben von benz
Gesundheitsgefährdung, chemischen Gestank, Chemie auf Deinen schönen Holzbögen, keine wirklich schöne Oberfläche, eindringendes Wasser bei dem kleinsten Kratzer, dann kannst Du alles runterschleifen und von vorne lackieren, damit Du wieder eine einheitliche Oberfläche hast.
Also da kann ich es mir nicht verkneifen, meinen Senf dazu zu geben:
-Gesundheitsgefährudung: Der erperimentierfreudige Nutzer nehme mal einen guten Schluck ungekochtes Tungöl, wenn er kann berichte er dann über die Ungefährlichkeit. Eine gewisse Vorsicht im Umgang mit Chemikalien (JA auch Öle und Wachse sind Chemikalien) sollte selbstverständlich sein, bei wasserbasierten PU Lacken ist damit das Gefährungspotential gering.
-Das menschliche Riechorgan ist einzig in der Lage Gase und feinverteilte, größere Moleküle wahrzunehmen. Ergo: Alles riecht "chemisch" :motz . @benz Ich gehe mal davon aus das Du den Geruch organischer Lösemittel meintest, dieser entfällt bei Verwendung wasserbasierter Systeme.
@wieder an alle
-Chemie habe ich nicht nur auf sondern auch in meinem Holzbogen ... s.o. und was ist wohl Lignin???
-Über die Oberflächenschönheit lässt sich trefflich streiten.
- Kratzer im Lack lassen sich ausbessern, geschickter Einsatz von Schleifpaste und Polierwachs (Autozubehörhandel) in Kombination mit dem allseits beliebten Feinschleifer (Dremel, Proxxon, Aldi, Tschibo oä.) und einem Schwabbel vollbringen wahre Wunder. Dies wäre übrigens noch ein Einsatzzweck für diese Geräte
Mit diesem Posting möchte ich niemandem zu Nahe treten, dennoch rege ich an den Begriff "chemisch" nicht unreflektiert bzw unpräzise zu verwenden. Dies führt meiner Erfahrung nach zur Argumentation "aus dem Bauch heraus" (mein Lack riecht aber besser als Deiner oder: der ist aber natürlich und nicht chemisch (grr, welch eine Formulierung)), die im Lichte der Ratio so nicht haltbar ist.
Alexander
P.S.: @Nacanina: Leinöl stinkt. Ich würde irgendein besser riechendes in kleiner Menge dazugiessen. Nelke, Zeder, Orange z.B.