Noch ein Klacks Senf (oder lieber: Wasabi) gefällig?
Die Diskussion über Vor- und Nachteile "natürlicher" (vielleicht besser "traditioneller") Werkstoffe und Oberflächebehandlungen hat offenbar mehrere Aspekte (die manchmal etwas durcheinandergehen):
Den anwendungsbezogenen: Was funktioniert am besten?
Den ästhetischen: Was gibt die schönste Oberfläche (oder riecht am besten)?
Den historischen: Was ist authentisch für die gewählte Epoche oder mindestens historisch plausibel?
Den ökologischen: Was ist am wenigsten umweltschädlich?
Den medizinischen: Was ist am wenigsten gesundheitsschädlich?
Und wie wir gesehen haben gibt es da keine ganz einfachen Antworten, vor allem nicht ein "Königspräparat", das für alle Anwendungen alle Forderungen erfüllt.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind doch (gerade im Zusammenhang mit den Debatten um Ökologie und Alternativmedizin) eine Reihe naiver Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand gekommen, und die scharfe Trennung in "natürlich" und "künstlich" (die ja selbst nur künstlich ist) gehört dazu - besonders in der Verbindung mit Werturteilen.
Im Prinzip ist alles im Bereich der menschlichen Kultur künstlich - Pfeil und Bogen sind geradezu Paradebeispiele für Kultur!
Wir wissen, dass einige der toxischsten Substanzen (z.B. Botulinustoxin) natürlich sind, und dass so leckere Dinge wie Nüsse und Erdbeeren lebensgefährlich sein können - Eibenholz ist bekanntermassen auch giftig. Das von vielen so gefürchtete Cortison produziert der Körper selbst, wenn nicht, hat man ein Problem. Und die Homöopathie (die ja gar keine "Naturmedizin" ist) verwendet eben auch sehr toxische Substanzen wie Phosphor und Quecksilber - nicht nur in Hochpotenz.
Es gibt natürlich einen emotionalen oder ideologischen Aspekt, der sich den anderen überlagert: Ich wollte einen (sehr sehr teuren) zeremoniellen Yumi dann auch mit echtem Urushi (Japanlack) lackiert haben - das benutzten nämlich die Japaner, um Bambusbögen wasserfest zu machen, als sie noch im Freien schossen. (Leider kann das Zeug im frischen Zustand heftige Hautreizungen verursachen.) Und das hat nicht bloss mit der historischen Authentizität zu tun - es gibt da einen Gefühlswert, der über rationale Urteile hinausgeht. Ein bisschen so wie bei einer mechanischen Automatikuhr, wenn ihr versteht was ich meine: Völlig sinnloser Aufwand - aber physikalisch-technisch eine unglaublich elegante Lösung. Bloss keinen Deut "natürlicher" als eine Quarzuhr mit quecksilberhaltiger Batterie.
Ich mag den Geruch von Leinöl, empfinde es (ganz naiv ;-) ) als "natürlich" und benutze es gerne für Trainingswaffen aus Eiche - aber ob es darum ideal geeignet für Holzbögen ist? Kai Neahnung. Warten wir doch die Experimente ab.
