Geht beides: Intuitiv +System?

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
Ralph
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1126
Registriert: 18.10.2009, 19:52

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Ralph »

Galighenna hat geschrieben:Es fehlt uns nur oft die Geduld und die Zeit, genau das zu Trainieren und darauf zu vertrauen.
Jouh ! Leider ! :-[ :-[ :-[ :-[
shortRec
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 573
Registriert: 09.07.2006, 12:29

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von shortRec »

Der menschliche Körper hat ein unglaublich gutes "Gedächtnis" was Körperhaltungen und Bewegungen angeht. Diese müssen nur oft genug ausreichend präzise wiederholt werden um abgespeichert zu werden. Dann schießt man sich auch in völliger Dunkelheit die Pfeile auf der Scheibe kaputt, weil der Körper die Gelenkstellungen und Muskelspannungen genau reproduzieren kann. Vorausgesetzt, er hat sie mal verinnerlicht.
Ähnliches gilt bspw. beim Tischtennis. Die Bälle sind viel zu schnell, als dass man auf sie reagieren könnte. Der Spieler muss seinen Schlag ansetzen, _bevor_ sein Gegner den Ball spielt. Das geht nur, wenn man gut anthizipieren kann und ein gut verinnerlichtes Bewegungsprogramm zur Verfügung hat.
Das braucht man auch beim Bogenschießen. Die Zielerfassung, also die Einschätzung der Entfernung in Abhänigkeit des Pfeilfluges (bei den Reitern kommt noch die Bewegung des Pferdes dazu) ist die Antizipation, die gelernt werden muss, dass Bewegungprogram, dass "geschrieben" werden muss ist der Schussablauf. Deswegen ist Schussablauftraining, bei dem es auf kurze bis mittlere Entfernung (abhängig vom Können des Schützen) so unglaublich wichtig. Dabei geht es nicht um das Treffen, sondern darum, auf ein leicht zu treffenden Pfeilfang (große Scheibe) möglichst viele Pfeile konzentriert mit möglichst gleichem Ablauf sauber zu schießen, so dass alle Pfeile möglichst eng bei einander auf der Scheibe stecken.

@Anuk
Wenn du dir Zeit bei jedem Schuß nehmen kannst und willst und dir Treffer etwas bedeuten, bist du mit einem (Ziel-)System ganz gut beraten. Da die Frustrtionstoleranz bei "einfach mal draufhalten" schon arg strapaziert werden kann. Dann ist es mit der Entspannung auch dahin...
Ralph
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1126
Registriert: 18.10.2009, 19:52

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Ralph »

shortRec hat geschrieben: Ähnliches gilt bspw. beim Tischtennis. Die Bälle sind viel zu schnell, als dass man auf sie reagieren könnte. Der Spieler muss seinen Schlag ansetzen, _bevor_ sein Gegner den Ball spielt. Das geht nur, wenn man gut anthizipieren kann und ein gut verinnerlichtes Bewegungsprogramm zur Verfügung hat.
Das braucht man auch beim Bogenschießen. Die Zielerfassung, also die Einschätzung der Entfernung in Abhänigkeit des Pfeilfluges (bei den Reitern kommt noch die Bewegung des Pferdes dazu) ist die Antizipation, die gelernt werden muss, dass Bewegungprogram, dass "geschrieben" werden muss ist der Schussablauf. Deswegen ist Schussablauftraining, bei dem es auf kurze bis mittlere Entfernung (abhängig vom Können des Schützen) so unglaublich wichtig. Dabei geht es nicht um das Treffen, sondern darum, auf ein leicht zu treffenden Pfeilfang (große Scheibe) möglichst viele Pfeile konzentriert mit möglichst gleichem Ablauf sauber zu schießen, so dass alle Pfeile möglichst eng bei einander auf der Scheibe stecken.
Ähm...

.. ich glaube, wir haben bisher ganz gut herausgearbeitet, was "intuitiv" oder "instinktiv schießen" rein wissenschaftlich begründet heißt, nämlich aufgrund einer vorherigen Konditionierung unter konditionierten Reflexen unterbewußt zu schießen.

Ich möchte daher nicht päpstlicher als der Papst sein, aber was Du oben schreibst, stimmt so nicht bzw. vermengt zwei miteinander laufende, jedoch andersartige Aspekte: Die von Dir erwähnte "Einschätzung der Entfernung in Abhänigkeit des Pfeilfluges", "das Bewegungsprogramm", das "Schussablauftraining, bei dem es auf kurze bis mittlere Entfernung (abhängig vom Können des Schützen) Dabei geht es nicht um das Treffen, sondern darum, auf ein leicht zu treffenden Pfeilfang (große Scheibe) möglichst viele Pfeile konzentriert mit möglichst gleichem Ablauf sauber zu schießen, so dass alle Pfeile möglichst eng bei einander auf der Scheibe stecken...." ist eben KEINE ANTIZIPATION !!!!!
Das ist eine Konditionierung und deren Wiederholung bis zur Vergasung oder auch ein EInschleifen: Ich habe Pfeil Y und Bogen Z, ich sehe das Ziel, das Ziel steht in einer Entfernung A, also nimmt der Körper Haltung und Schussablauf A-1" ein. ".

DAS HAT MIT ANTIZIPATION nichts zu tun. Denn Antizipation ist Vorwegnahme der Bewegung des Umfeldes und eine gleichsam derselben zuvorkommende Reaktion Deiner selbst (die auch in einem konditionierten Reflex bestehen kann (vorausgesetzt man hat den Reflex vorher entsprechend konditioniert... siehe oben)). Es ist das "Hase und Igel - Spiel" - man sagt einfach "Du gehts, ich bin schon da !"

Daher ist es richtig, wie Du schreibst, dass man beim Tischtennis anizipierend die Bewegung des Gegners vorwegnimmt oder vorwegnehmen kann/sollte (wenn man schlecht ist vorausahnt, wenn man gut ist voraussieht, wenn man excellent ist, dem Gegner durch die eigene "Schein-" Reaktion (Finte) die eigene Bewegung aufzwingt) oder beim Pferd/Reiten dessen Bewegungen nach entsprechender Konditionierung vorwegnimmt, weil man weiß, wann es "hoch" geht und wann man daher schießen könnte.
Ein Boxer würde sagen, er nähme die Bewegung des Opponenten vorweg, indem er bei dessen ersten und kleinsten Bewegungsansatz dessen Bewegung durch seine eigene , vorweggenommene blockiert, aufhält oder unterbindet ("Erstschlag"). Die Bewegung, mit der man aber etwas vorwegnimmt, muß vorher selbst ausreichend konditioniert sein, sonst klappt die Antizipation nicht (Konditionierung ist also die Voraussetzung für die Antizipiation). Das meinst Du ja selbst richtig mit Deiner Bemerkung "(abhängig vom Können des Schützen)". Denn mit Etwas, was nicht "gekonnt" ist, kann man auch nichts Anderes vorwegnehmen.

Falsch ist es daher, dass man, wie Du meinst, Anizipation beim System-, wie auch beim unterbewußten Bogenschießen am Boden - auch beim schnellen unterbewußten Schießen angesichts etwaiger Gegner - bräuchte: Hier braucht nicht nur nichts vorweggenommen werden, hier kann nichts vorweggenommen werden, weil es keinen Counterpart gibt, auf dessen Bewegung oder Dasein mit Vorwegnahme reagiert werden müsse (Es sei denn Du meinst den zustand, dass ich in (unterstellten Bogenschützenbewehrten) Kriegszeiten die BEwegung eines Gegners als Ziel dadurch vorwegnehme, dass ich in seine mutmaßliche oder ihm aufgezwängte Bewegungsrichtung schieße und so seine weitere Aktion gegen mich durch Ausschaltung seiner Person mittels "Hineinlaufenlassens in den ersten Schlag" unterbinde).

Und die unterbewußte Einstellung auf die sonstigen Umstände ist eben keine Frage der Antizipation, sondern der Konditionierung.

Hoffentlich klingt das nicht zu oberlehrerhaft.

Gruß

Ralph
Anuk
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 653
Registriert: 29.07.2008, 10:25

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Anuk »

shortRec hat geschrieben: Wenn du dir Zeit bei jedem Schuß nehmen kannst und willst und dir Treffer etwas bedeuten, bist du mit einem (Ziel-)System ganz gut beraten. Da die Frustrtionstoleranz bei "einfach mal draufhalten" schon arg strapaziert werden kann. Dann ist es mit der Entspannung auch dahin...
Ja und nein. Ich habe keines der bekannten Zielsysteme, zumindest ist es mir nicht bewusst. Also nix mit abgreifen oder über die Pfeilspitze peilen oder sonstiges. Aber treffen will ich doch und tue das auch relativ zuverlässig. Ich hab gar keinen Frust. Jedenfalls nur manchmal. Auf die Gefahr hin, dass hier jetzt irgendwer austickt, aber ich glaube noch immer nicht an die Geschichte, dass intuitive Schützen nicht zielen würden.

Ralph: Tut mir leid, deine Ausführungen sind mir irgendwie zu ...lang. Vermutlich habe ich die Hälfte nicht kapiert, aber schon im Vorfeld muss ich mal sagen: "Wir" haben hier gar nichts herausgearbeitet, schon allein deshalb nicht, weil es dazu keine Wissenschaft gibt. Sorry, aber da bleibt es schwierig.
Insofern ist mir der Antizipationsgedanke auch nicht recht klar, denn bei deiner Erklärung scheinst du von bewegten Zielen zu sprechen. Darum ging es aber nicht jedem hier. Oder doch?
Jedenfalls scheint mir, dass der Antizipation der Vorrang gegeben wird vor der Konditionierung. Warum bleibt mir schleierhaft. Da kommen mir viel zu viele Begriffe in die Debatte, die eher für Orientierungslosigkeit denn für Übersicht sorgen.
LG A
Benutzeravatar
Snake-Jo
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 8749
Registriert: 10.10.2003, 11:05
Hat gedankt: 19 Mal
Hat Dank erhalten: 33 Mal

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Snake-Jo »

Für alle, die nicht mehr ganz mitkommen, hier ein paar Erklärungen eines einzigen Begriffes:

* Antizipation (Biologie) in der Biologie die frühere Herausbildung von Entwicklungsmerkmalen einer Generation gegenüber der vorangehenden Generation
* Antizipation (Linguistik) in der Linguistik bestimmte Typen von Versprechern und Erscheinungen von Sprachstörungen
* Antizipation (Literatur) in der Literatur einerseits eine Vorausschau oder einen Zeitsprung in die Zukunft (auch Prolepse), anderserseits Lesererwartungen, die durch den vorhergehenden Text geweckt werden
* Antizipation (Musik) in der Musik einen Ton, der vor dem Akkord gespielt wird, zu dem er gehört
* Antizipation (Psychologie), Antizipation (Soziologie) in der Psychologie und Soziologie die Vorwegnahme oder Erwartung eines zukünftigen Verhaltens und Erlebens
* Antizipation (Rechnungswesen) im Rechnungswesen vorweggenommene Aufwände oder Erträge, die erst in der Folgeperiode zahlungswirksam werden, siehe auch: Rechnungsabgrenzung#Transitorische und antizipative Posten
* Antizipation (Recht) in der Rechtswissenschaft die vorweggenommene Schaffung einer Rechtsfolge oder der Tatbestandsvoraussetzungen einer Rechtsfolge für den Fall einzutretender ungewisser Ereignisse, siehe auch: Prävention
* Antizipation (Robotik) in der Robotik die Erkennung von Handlungsabsichten des Menschen durch einen Roboter
* Antizipation (Schach) eine Vorausberechnung der möglichen weiteren Spielverläufe (Zugfolgen)
* Antizipation (Sport) die mentale Vorwegnahme eines künftigen Bewegungsablaufes
Ralph
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1126
Registriert: 18.10.2009, 19:52

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Ralph »

Sorry,

für das "zu lang".

Das "wir" bezieht sich auf die gesamten Beteiligten des Threades bis dato...

Die Wissenschaft hinsichtlich Konditionierung und Antiziation bzgl. der heisigen Sportart oder Kampfkunst gibt es wohl, sie heißt schlicht weg "Trainingslehre und Trainingswissenschaft" (vgl. dazu den Wälzer von Harre/Schnabel "Trainingslehre - Trainingswissenschaft"). Darin wird u. a. das näher ausgewalzt, was ich angerissen habe. Zugegeben, es ist nicht einfach, aber es ist begreifbar.

Ich habe der Antiziation nicht den Vorrang vor der Konditionierung gegeben. ich meine nur, dass die Konditionierung einer Bewegung die Voraussetzung idafür ist, dass man mit ihr etwas anderes vorwegnehmen kann.

Vorwegnehmen kann man jedoch nur eine actio, nämlich in Form einer reactio - die der actio dann zuvorkommt oder deren Ergebnis vorwegnimmt. Wenn es aber keine action gibt, weil sich nichts bewegt, kommt es zu keiner diese vorwegnehmenden reactio, woraus folgt, dass die reactio allein bleibt und so zur alleinigen actio wird, die umso perfecter ist, je besser sie konditioniert ist.

Will heißen:
Der Unterbewußt, weil ausreichend eingeschliffen/konditionierte Schütze trifft, weil er die Umstände erfasst und die Auge-Hand-Koordination diesen folgt (vgl. auch die Ausführungen vo G... zum Autofahren und schalten....). Dann triffts Du wirklich ohne zu Zielen. Aber wie gesagt: Das richtig zu trainieren dauert ewig. Und weil keiner so richtigen Bock darauf hat, wird dieser Effect auch nicht für existent genommen!

Antizipieren kannst du nur bei - wie Du schon erwähntest - Bewegungen etwa auf dem Pferd oder beim Tischtennis, wo Du Dich auf bewegte Ziele oder Umfelder (=Pferd) einstellen und déren Bewegungen vorwegnehmen kannst.

Danke für die zwischenzeitliche Begriffseinstreuung !!!!

Ralph
Bogenschütze
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 99
Registriert: 19.10.2010, 20:39

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Bogenschütze »

Ralph hat geschrieben: Die Konditionierung dauert ewig. :( :( :( :(
Ralph, ich muss dir in diesem Punkt widersprechen.

Die Konditionierung dauert alles andere als ewig. Gerade sie ist es, die sehr schnell funktioniert - schon nach ein paar Malen bist du konditioniert.

Das Problem besteht meiner Ansicht nach eher darin, dass unser Denken permanent dazwischen funkt, weil es schlicht nicht glauben kann, dass es ohne Denken geht.

Noch evidenter wird dies bei Wettkämpfen, bei denen du drei Mal hintereinander einen Pfeil auf ein Ziel losschicken musst. Drei Mal nacheinander das nötige Vertrauen aufbauen, ist super schwer.

Sobald das Denken aber wirkungsvoll "abgeschaltet" ist, greift die schon lange zurückliegend stattgefunden habende Konditionierung sofort und wirkungsvoll.
... KEEP FLYING!
Bogenschütze
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 99
Registriert: 19.10.2010, 20:39

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Bogenschütze »

Ralph hat geschrieben:Der Unterbewußt, weil ausreichend eingeschliffen/konditionierte Schütze trifft, weil er die Umstände erfasst und die Auge-Hand-Koordination diesen folgt (vgl. auch die Ausführungen vo G... zum Autofahren und schalten....). Dann triffts Du wirklich ohne zu Zielen.
Um ein wenig Haarspalterei zu betreiben - auch das unbewusste Treffen benötigt einen Zielvorgang. Auch wenn der ganz anders aussieht als der eines Systemschützen.
Ralph hat geschrieben: Aber wie gesagt: Das richtig zu trainieren dauert ewig. Und weil keiner so richtigen Bock darauf hat, wird dieser Effect auch nicht für existent genommen!
Ich gehöre wohl zu denen, die richtig Bock darauf haben. Alle unsere Langbogner, die an DSB-Wettbewerben teilnehmen, sind inzwischen zu einem System übergegangen (die meisten point of aim). Ich bin der einzige, der hartnäckig weiter feilt am intuitiven Schießen. Da ist es mir fast egal, dass die alle schon um einiges besser schießen als ich.
Ich bin fasziniert von den Abläufen, die sich im Denken abspielen, während des Schusses. Und ich bin fasziniert davon, herauszufinden, wie sich das denn anfühlt, wenn man sich ganz und gar dem Unterbewussten überlässt.
... KEEP FLYING!
Benutzeravatar
Galighenna
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 8836
Registriert: 19.07.2004, 21:59

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Galighenna »

Das witzige daran ist, du merkst es nicht! Du kannst nicht bewusst unbewusst schießen. Das erscheint im Gedanken irgendwie paradox aber es ist so.
Wenn du beim Autofahren unbewusst kuppelst und schaltest merkst du das ja auch nicht, sondern du fährst einfach und freust dich das das so gut funktioniert (oder auch nicht, z.B. als Anfänger oder als Sonntagsfahrer *gg*)
Übel übel sprach der Dübel,
als er elegant und entspannt
in der harten Wand verschwand

Wer das Forum unterstützen möchte, möge auf den Paypal-Button klicken, oder einen der Moderatoren um die Kontodaten bitten ;)
Ralph
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1126
Registriert: 18.10.2009, 19:52

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Ralph »

Galighenna hat geschrieben:Das witzige daran ist, du merkst es nicht! Du kannst nicht bewusst unbewusst schießen. Das erscheint im Gedanken irgendwie paradox aber es ist so.
Wenn du beim Autofahren unbewusst kuppelst und schaltest merkst du das ja auch nicht, sondern du fährst einfach und freust dich das das so gut funktioniert (oder auch nicht, z.B. als Anfänger oder als Sonntagsfahrer *gg*)
Ergo:
Man freut sich als unterbewußt schießen Wollender, dass das so gut funktioniert - oder auch nicht, z.B. als Anfängerschütze oder als Sonntagsschütze O0 O0 O0
Benutzeravatar
kra
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 6925
Registriert: 06.08.2003, 23:46
Hat gedankt: 55 Mal
Hat Dank erhalten: 69 Mal

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von kra »

@Bogenschütze
Ich bin fasziniert von den Abläufen, die sich im Denken abspielen, während des Schusses. Und ich bin fasziniert davon, herauszufinden, wie sich das denn anfühlt, wenn man sich ganz und gar dem Unterbewussten überlässt.
Die Faszination kann ich gut nachvollziehen - und intuitiv gelungene Schüsse brennen sich in der Erinnerung ein.
Was mir immer wieder hilft, das Visieren zu unterlassen ist, wenn ich auch dem Ankern keine Bedeutung beimesse. Es kommen zwar nochmals einige Variablen mehr hinzu, die sich im Gehirn abbilden müssen, aber es dauert nicht ewig - es geht nur sehr ungleichmäßig vorran und birgt immer wieder Rückschläge. Das Gehirn ist hier ein faszinierendes Organ - es belohnt sich praktisch selber für die guten Treffer. Gerade auch deshalb sind sogenannte Zufallstreffer so wichtig und sollten mit demselben Respekt behandelt werden wie e.g. der 5. Kill in Folge.

Zur Antizipation (im Sinne der Def. bei Jo für die Verwendung im Sport, Dank für die Zusammenstellung!!) - ist imho essentiell beim Bogenschießen. Weil sich das Gehirn, ob bewußt oder nicht, ein Bild machen muß wie der Pfeil fliegt. Der ganze Schuß muß vorher im Kopf abgelaufen sein. Vom beginnenden Aufnehmen des Ziels,der Haltung des Bogenarms, das Ausziehen des Bogens über den Ablaß, den Pfeilflug bis zum Einschlag ins Ziel. Wenn das Alles vorher abläuft (oder besser während des Schusses) abläuft kann man von einem intuitiven Schuß sprechen. Je näher (zeitlich) die Antizipationen an den eigentlichen Vorgang heranrücken desto eher gerät man in Gefahr, bewußt (und visierend) zu schießen. Manchmal klappe es auch, wenn ich während des Ablaufs den nächsten Schritt antizipiere - aber das gelingt nur, wenn ich sehr gelöst bin.

Ich glaube, von Fred Aspell stammt der Satz: "werde zum Pfeil" um Schießen zu lernen, ich meine "werde zum Schuß selber".
Bogenschütze
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 99
Registriert: 19.10.2010, 20:39

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Bogenschütze »

Galighenna hat geschrieben:Du kannst nicht bewusst unbewusst schießen. Das erscheint im Gedanken irgendwie paradox aber es ist so.
Wenn du beim Autofahren unbewusst kuppelst und schaltest merkst du das ja auch nicht, sondern du fährst einfach und freust dich das das so gut funktioniert (oder auch nicht, z.B. als Anfänger oder als Sonntagsfahrer *gg*)
Mmmh - ich glaube doch, dass du es merken kannst. Du kannst das unbewusste Tun tatsächlich beobachten, ohne Einfluss auf dieses Tun zu nehmen. Das ist dann bewusst unbewusstes Schießen.
Ich denke, auf dieses Nicht-Einfluss-Nehmen kommt es an, nicht auf den gänzlich unbewussten Ablauf.

Hier könnten uns die Kyudoka sicherlich einiges zu erzählen.
... KEEP FLYING!
Bogenschütze
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 99
Registriert: 19.10.2010, 20:39

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Bogenschütze »

@kra
Schöne Beschreibung dessen, was einem alles so im Kopf herumgehen kann.

Richtig interessant wird es bei mir dann, wenn ich das Gefühl habe, das eine oder andere Detail verstanden zu haben, dann drei Passen nacheinander gigantomanisch treffe und es dann auf einmal doch wieder mit der ganzen Herrlichkeit vorbei ist.
Warum ist es dann wieder vorbei?
Keine Ahnung - und dann doch an dieser Stelle weiter zu machen, bis man das nächste Detail herausgefunden hat, ist einfach superspannend.

Es ist eben nicht einfach nur ein unbewusstes Schießen, sondern unendlich viel mehr - je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr werden die Details, die sich auftun.
... KEEP FLYING!
Ralph
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1126
Registriert: 18.10.2009, 19:52

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Ralph »

kra hat geschrieben:@Bogenschütze
Zur Antizipation (im Sinne der Def. bei Jo für die Verwendung im Sport, Dank für die Zusammenstellung!!) - ist imho essentiell beim Bogenschießen. Weil sich das Gehirn, ob bewußt oder nicht, ein Bild machen muß wie der Pfeil fliegt. Der ganze Schuß muß vorher im Kopf abgelaufen sein. Vom beginnenden Aufnehmen des Ziels,der Haltung des Bogenarms, das Ausziehen des Bogens über den Ablaß, den Pfeilflug bis zum Einschlag ins Ziel. Wenn das Alles vorher abläuft (oder besser während des Schusses) abläuft kann man von einem intuitiven Schuß sprechen. Je näher (zeitlich) die Antizipationen an den eigentlichen Vorgang heranrücken desto eher gerät man in Gefahr, bewußt (und visierend) zu schießen. Manchmal klappe es auch, wenn ich während des Ablaufs den nächsten Schritt antizipiere - aber das gelingt nur, wenn ich sehr gelöst bin.

Ich glaube, von Fred Aspell stammt der Satz: "werde zum Pfeil" um Schießen zu lernen, ich meine "werde zum Schuß selber".
Genau daher - so jedenfalls meine Meinung - hat eine Vorwegnahme im Sinne von Vorwegdenken oder Vorwegantizipieren Wollen - beim BS nichts zu suchen. Denn genau das ist es, was Dich dann letztlich doch behindert. Es mag sein, dass Du Dir Deinen Schußablauf immer wieder vorstellen kannst und somit Deine BEwegungsabfolge vorwegnehmen kannst (was Du, wenn Du sie richtig konditioniert hast, nicht mehr nötig ist....).

Im Zusammenhang mit dem hier besprochenen "unterbewußten" Schießen muß und kann die Erfassung, Verarbeitung und Ausführung des an die Umgebung anzupassenden Schusses aber eben nicht in der "Weise XY" vorweggenommen werden, dann sind die Informationswege nicht nur zu lang, es liegt auch keine Unterbewußtheit mehr, sondern Bewußtheit vor und das, was Du dann tust, ist fehleranfälliger, als wenn Du es einer konditionierten Refexbewegung überläßt (Was nicht heißen soll, dass Du im Zuge des EInschleifens/Konditionierens immer wieder so lange alles vorwegnehmen kannst, bis der Ablauf "drin ist").

Die Praxis zeigt sich dies etwa wie folgt (wobei ich hier immer wieder auf dem zeitfaktor herumreite bzw. ihn mit einbeziehe, da man m. E. nur daran sieht, ob etwas unterbewußt abläuft oder nicht):
Das Gehirn braucht von der Erfassung einer Information über deren Verarbeitung und dann folgender Auslösung der daraus resultierenden Handlung ca. 3/10 sec.. Diese Zeit hast "Du", um Deinen Körper entsprechend auszurichten und die Reaktion auszulösen. Jene Zeitspanne ist jedoch zu kurz, um dann noch die Bewegung an sich, die in diesen Augenblicken erfolgen muß, noch anizipieren zu wollen. Nötig ist, dass sie läuft - und zwar so, wie sie nötig ist. Und wie sie nötig ist, "weiß" das in den 3/10 sec. die Information verarbeitende Gehirn aufgrund vorherigen Einschleifens (Konditionierens) und bzgl. der Bewegungsabfolge ggf. auch etwaiger Anizipation, bevor es dann den Output ausspuckt.

Mach einfach mal den Test:

Such Dir jemanden, der mit Dir zusammen irgenwohin auf nen Parcour geht. Dann nocke, um es einfach zu machen, einen Pfeil ein. Dann schließ die Augen und laß Deinen Partner Dich in diverse Richtungen drehen oder einfach Dich bei der Hand nehmen und irgendwohin führen (Augen zulassen, sonst gehts nicht). Der Partner führt oder dreht Dich dann irgendwohin, wo Du, irgendein , um es einfach zu machen , einfach sichtbares Ziel siehst (das aber nicht unbedingt geradlinig zu Dir stehen muß. Dann ruft der Partner "Und auf". Du schlägst die Augen auf und Deine Aufgabe ist es, das Zielobjekt zu treffen. Der Partner zählt langgezogen vom Kommando "Augen auf" das Wort "einundzwa", was etwa 1/2 sec. entsprechen dürfte (also noch mehr als die o.g. 3/10 sec.). Dann sagt er "Stop". Bis dato mußt Du abgeschossen haben (und im Ergebnis möglichst auch treffen (Letzteres ist aber ne Konditionierungssache und bei diesem Versuch eigentlich zweitrangig, da es nur auf das Aufzeigen der Infoverarbeitungswege nebst dazu notwendiger Zeiten ankommt) !

Versuche es selbst und dann wirst Du sehen, ob Du bei diesem Vorgang noch was antizipieren kannst oder ob Du der Dein Unterbewußtsein "einfach schießt". Wenn Ersteres der Fall ist, bist Du m. E. ein Ausnahmetalent; bei Letzterem ein unterbewußter Schütze.

Aber vielleicht irre ich mich ja auch. ::)

gruß

Ralph
Anuk
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 653
Registriert: 29.07.2008, 10:25

Re: Geht beides: Intuitiv +System?

Beitrag von Anuk »

Nun ja, es macht ja keinen Sinn, darüber zu streiten. Insgesamt kann ich mich in dem, was kra geschrieben hat, aber durchaus wiederfinden und fühl mich wohl dabei. Insofern wird das Intuitive zum System für mich. Einzig das "Visieren" sehe ich vielleicht etwas anders.

@Snake-Jo: Danke! ;D (I mean what you know ;) )

Und viel Vergnügen in den Wäldern...
Antworten

Zurück zu „Technik“